Flüchtlingsparlament Aargau

An der zweiten nationalen Flüchtlingssession am Sonntag, 8. Mai 2022 wurde mit Unterstützung des Vereins Netzwerk Asyl Aargau und der Beratungsstelle Ischtar als Pilotprojekt das kantonale Flüchtlingsparlament im Kanton Aargau lanciert. Das kantonale Flüchtlingsparlament Aargau ist ein gänzlich partizipatives Projekt. Geflüchtete Menschen aus dem Kanton Aargau organisieren und planen es vollständig: sie gestalten die Ausschreibung, kümmern sich um die Werbung, sie organisierten und moderierten die Kommissionssitzungen sowie das Plenum der Flüchtlingssession am Samstag, dem 29. Oktober 2022, im Grossratssaal Aarau. Das NCBI-Partizipationsprojekt „Unsere Stimmen“ lancierte in Kooperation mit dem Verein Netzwerk Asyl Aargau – mit Unterstützung von Amt für Migration und Integration sowie der Kulturgesellschaft Bezirk Aarau – im Herbst 2022 das erste kantonale Flüchtlingsparlament Aargau.

Das kantonale Flüchtlingsparlament Aargau wird von Geflüchteten umgesetzt. Nur Geflüchtete aus dem Kanton Aargau können daran teilnehmen. Durch das kantonale Flüchtlingsparlament Aargau können geflüchtete Menschen ihre Bedürfnisse und Anliegen auf kommunaler und kantonaler Ebene formulieren und in den politischen Prozess einbringen. Die Politik und die Öffentlichkeit im Kanton Aargau sollen durch die Sessionen auf die Herausforderungen, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind, aufmerksam gemacht werden – und auf mögliche Lösungen aus der Perspektive von Betroffenen. Diese Lösungsvorschläge wurden aufmerksam von Podiumsmitgliedern aufgenommen, welche fast tagtäglich Entscheidungen über Geflüchtete treffen.

Die erste kantonale Flüchtlingssession Aargau

Die erste Flüchtlingssession begann mit dem Grusswort von Regierungsrat Dieter Egli.

Am Vormittag besprachen und diskutierten die Flüchtlingsparlamentarier:innen ihre Forderungen aus folgenden fünf Kommissionen und einer Arbeitsgruppe

  • Kommission 1: Bildung (Sprachkurse/Schule/Ausbildung/Studium)
  • Kommission 2: Abgewiesene Asylsuchende
  • Kommission 3: Begegnung und Austausch mit dem Kanton Aargau
  • Kommission 4: F- und S-Status: Grundbedürfnisse und Lebensbedingungen
  • Kommission 5: Ukrainische Geflüchtete
  • Arbeitsgruppe 1: Öffentlichkeitsarbeit und Medienpräsenz von geflüchteten Menschen im Kanton Aargau

Die Endergebnisse wurden anschliessend im Plenum vorgestellt. Die Flüchtlingsparlamentarier:innen bereiteten sich danach auf die Podiumsdiskussion mit Grossratsmitgliedern, der Verwaltung und einer weiteren Fachperson am Nachmittag.

Am Nachmittag präsentierten die Flüchtlingsparlamentarier:innen ihre Vorstösse an die folgenden Grossratsmitglieder und sie kommentierten dieses Forderungen:

  • Rita Brem-Ingold, Grossrätin die Mitte
  • Pia Maria Brugger, Leiterin KSD
  • Therese Dietiker, Grossrätin EVP
  • Fabienne Notter, Leiterin Caritas Aargau/Solothurn
  • Ignatius Ounde, Grossrat GLP
  • Lea Schmidmeister, Grossrätin SP

Kommission1: Bildung

  1. Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert für alleinerziehende Geflüchtete die Möglichkeit, eine Teilzeitlehre zu absolvieren, wie dies in den Kantonen Bern und Zürich möglich ist (MIA).

1.1 Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert weiter, dass das Elternteil, welches zu Hause bleibt und auf die Kinder schaut, ebenfalls die Möglichkeit hat, eine Teilzeitlehre zu absolvieren, sodass dieses Angebot nicht nur für alleinerziehende Geflüchtete gilt.

1.2 Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert ebenfalls, dass für die Zeit, in der die Mutter oder der Vater arbeitet oder Schule hat, eine Kinderbetreuung für ihre/seine Kinder bezahlt wird.

  1. Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert einen Nachteilsausgleich in der Berufsschule für Personen mit wenig Deutschkenntnissen und anderen schulischen oder persönlichen Schwierigkeiten. Diese Nachteilsausgleiche sollen folgendermassen aussehen: betroffene Lehrlinge sollen die Möglichkeit für Nachhilfe oder Coaching erhalten und bei Bedarf auch auf Arbeitszeit zusätzliche Deutschkurse besuchen können.

2.1 Das Flüchtlingsparlament Aargau zusätzlich fordert, dass geflüchtete Personen bei Bedarf eine Möglichkeit auf spezifische Nachhilfe für ihre Lehre erhalten.

2.2 Lehrbetriebe bieten die Möglichkeit an, dass geflüchtete Lehrlinge immer ein Anrecht haben, Nachhilfe bzw. zusätzliche Deutschkurse an der Berufsschule auf Arbeitszeit besuchen zu können.

Kommission 2: Abgewiesene

  1. Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert, dass Härtefallgesuche von abgewiesenen Geflüchteten nach fünf Jahren nach den geschriebenen Härtefallkriterien beurteilt werden. Es braucht eine klare, anfechtbare Begründung bei einem negativen Entscheid.   Das kantonale Flüchtlingsparlament Aargau kritisiert die Praxis der Eingrenzung und fordert die allgemeine Aufhebung von Eingrenzungen und Ausgrenzungen (lokale oder kantonale Rayon-Auflage) für abgewiesene Asylbewerber: innen im Kanton Aargau.
  2. Beschäftigung für Abgewiesene: Das Flüchtlingsparlament Aargau empfiehlt, dass abgewiesene Asylsuchende kleine Stellenprozente als Beschäftigung ausüben dürfen. Möglichkeit zur Identifikation von Abgewiesenen: Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert, dass die Abgewiesenen die Möglichkeit erhalten sich rechtmässig auszuweisen.

Kommission 3: Begegnung und Austausch mit dem Kanton Aargau

  1. Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert, dass der Kanton einen Massnahmenplan erstellt, welcher zum Ziel hat, dass die Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Gemeinden minimiert wird. Dabei werden Erfahrungsberichte von geflüchteten Menschen und Einschätzungen von zivilgesellschaftlichen Akteur:innen mit einbezogen.
  2. Das Flüchtlingsparlament Aargau empfiehlt, dass die (Qualitäts-)Kontrollen der Angebote, welche durch externe Organisationen eingekauft werden, vor allem in den Bereichen Beschäftigung und Unterkunft, transparent gemacht werden müssen und Rückemldungen von betroffenen Menschen beim Monitoring und der Evaluierung miteinbezogen werden müssen.

Kommission 4: S- und F-Status

  1. Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert, dass der Kanton Aargau ein offizielles Dokument und eine Website für Vertragspartner:innen wie Versicherungsgesellschaften, Vermieter:innen, Arbeitgebende und Mobil-Abo-Provider etc. erstellt, die über den F-Ausweis und seine Bedingungen informiert.
  2. Das kantonale Flüchtlingsparlament Aargau fordert, dass Flüchtlinge mit F-Ausweis, die eine Ausbildung machen wollen, das Recht auf Stipendien bekommen sollen.

Kommission 5: Ukraine

  1. Das Flüchtlingsparlament schlägt dem Kanton vor, den Arbeitgebern klar zu kommunizieren, dass ukrainische Flüchtlinge mit S-Status so lange in der Schweiz beschäftigt werden können, bis die Ukraine befriedet, sicher und der Wiederaufbau im Gange ist (mindestens Ende 2023). Um die Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern zu erleichtern, sollten die Zuständigen (RAV, MIKA) Arbeitsverträge für besondere Situationen ermöglichen.

Kommunikation: Politische Rhetorik über Geflüchtete

  1. kantonale Flüchtlingsparlament Aargau sieht, dass diskriminierende Äusserungen – wie diejenigen von Herrn Aeschi über Menschen aus Afghanistan in den Medien – verletzend sind. Das Flüchtlingsparlament Aargau fordert, dass auf solche verletzenden Äusserungen verzichtet wird und dass die politische Rhetorik der Politiker: innen diesbezüglich verbessert werden muss.

Dank an Fachpersonen, Organisationen

Einen grossen Dank für die Begleitung und Unterstützung der Kommissionen geht an folgenden Fachpersonen und die unterstützenden Organisationen für die Durchführung der ersten Flüchtlingssession im Kanton Aargau.

Fachpersonen

  • Pascal Ammann von Leben und Lernen
  • Patrizia Bertschi von Netzwerk Asyl Aargau
  • Ron Halbright von NCBI
  • Naomie Landolt von Aargauer Zeitung
  • Marcel Thueler von Kantonalem Sozialdienst Aarau

Organisationen

  • NCBI Schweiz
  • Verein Netzwerk Asyl Aargau
  • Kompetenzzentrum Ischtar

Unterstützende Organisationen

  • Kantonales Integrationsprogramm (KIP)
  • Amt für Migration und Integration
  • Kulturgesellschaft Bezirk Aarau

Medienbeiträge

Die zweite kantonale Flüchtlingssession Aargau

Die zweite kantonale Flüchtlingssession Aargau tagt zu einem Strategie-Tag am Samstag, 4. November 23 im Grossratsgebäude in Aarau

Flüchtlingsparlamentarier:innen treffen sich zu diesem Strategie-Tag in Aargau, damit sie mit Unterstützung von Fachpersonen und Politiker:innen über Vorstösse der ersten Flüchtlingssession diskutieren können. Flüchtlingsparlamentarier:innen entscheiden über priorisierten Themen und bringen diese an die Öffentlichkeit. Somit erarbeiten Flüchtlingsparlamentarier:innen kaum neue politische Vorstösse, sondern arbeiten  vielmehr weiter an den Strategien und Ideen zur Umsetzung der ausgewählten Themen, damit sie die Vorstösse voranbringen können.